Befristungsrecht – BAG Entscheidung vom 6. April 2011 Sachgrundlose Befristung und „Zuvor-Beschäftigung“
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat vorliegend eine praxisnahe positive Einschränkung bei der Zulässigkeit von befristeten Arbeitsverhältnissen vorgenommen:
Bis jetzt war die Rechtssprechung der Auffassung, dass bereits ein einziges früheres Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer zur Unzulässigkeit der Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG („Zuvor-Beschäftigung) führte. Hierbei war es bislang ohne Bedeutung wie groß der zeitliche Abstand zwischen dem neuen und dem alten Arbeitsverhältnis war. Dies führte im Ergebnis zu einer „lebenslänglichen Sperre“ des Arbeitnehmers hinsichtlich einer weiteren befristeten Beschäftigung bei diesem Arbeitgeber (BAG vom 6.11.2003, NZA 2005, 218ff.).
Diese Rechtsprechung war sowohl von Arbeitnehmer-, als auch von Arbeitgeberseite zu Recht als praxisfremd kritisiert worden.
Nunmehr hat das BAG in dieser Rechtsfrage eine „180 – Grad – Wende“ vollzogen und entschieden, dass die Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund bis zu zwei Jahre zu befristen, einer früheren Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht entgegensteht, sofern diese mehr als drei Jahre zurückliegt. Eine „Zuvor-Beschäftigung“ im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG soll dann (ausnahmsweise) nicht vorliegen.
Dies leitet das BAG – entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift – aus einer, an dem Sinn und Zweck des § 14 TzBfG orientierten, verfassungskonformen Auslegung her. Diese Vorschrift soll zum einen den Arbeitgebern ermöglichen, auf schwankende Auftragslagen und wechselnde Marktbedingungen flexibel durch befristete Einstellungen zu reagieren. Zum anderen soll dem Arbeitnehmer eine Möglichkeit zur Dauerbeschäftigung eröffnet werden sowie sogenannte „Befristungsketten“ bei Beschäftigungsverhältnissen verhindern. Das Verbot ist allerdings in der Praxis allzu oft zu einem Einstellungshindernis geworden. Die verfassungskonforme Anwendung der Vorschrift soll daher nur insoweit gerechtfertigt sein, als dies zur Verhinderung von Befristungsketten erforderlich ist. Dies ist bei bereits länger zurückliegenden früheren Beschäftigungsverhältnissen typischerweise eben nicht mehr der Fall. Die Gefahr missbräuchlicher Befristungsketten besteht regelmäßig nicht mehr, wenn zwischen dem Ende des früheren Arbeitsverhältnisses und dem sachgrundlos befristeten neuen Arbeitsvertrag mehr als drei Jahre liegen, wie das BAG ausführt. Dieser Zeitraum entspräche auch der gesetzgeberischen Wertung, die in der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist zum Ausdruck kommt. Eine weitergehende Beschränkung der Vertragsfreiheit beim Abschluss eines Arbeitsvertrages und der damit notwendig verbundenen Einschränkung der Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers lässt sich aus dem Sinn und Zweck des § 14 TzBfG nicht rechtfertigen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. April 2011 – 7 AZR 716/09 –
Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 15. September 2009 – 7 Sa 13/09
Bearbeiter: Rechtsanwalt Kuletzki